Kaum eine Figur der nationalsozialistischen Führungsspitze ist mit so vielen Rätseln verbunden wie Albert Speer. Seine Karriere war beispiellos: Geboren 1905, wurde er mit gerade dreißig Jahren eine Art Chefarchitekt des Dritten Reiches, baute die neue Reichskanzlei, erfand die «Lichtdome» und entwickelte jene pompösen Konzepte, die Berlin die die «Welthauptstadt Germania» verwandeln sollten. 1942 ernannte ihn Hitler zum Rüstungsminister. Binnen kurzer Zeit vervielfachte er die deutsche Rüstungsproduktion. Bei alledem nannte er sich verblüffenderweise «unpolitisch», und tatsächlich galt er im Kreis des engeren Hitleranhangs immer als Außenseiter. Er war voller Widersprüche, den Krieg hielt er seit Herbst 1943 für verloren, bot aber alles zu seiner Fortführung auf, bezeichnete Hitlers Judenhass als «Schrulle», nahm aber keinen Anstoß daran. Ringsum erkannte er überall Korruption und Egoismus der Machthaber, doch bleib er davon, bei allem Machtwillen, persönlich nur wenig berührt. Dei Verschwörer des 20. Juli haben seinen Namen denn auch auf ihre Kabinettliste gesetzt. Dennoch hat der britische Historiker Hugh R. Trevor-Roper ihn «den wahrenVerbrecher Nazideutschlands» genannt. In seiner Biographie versucht Joachim Fest, diese und zahlreiche weitere Widersprüche einer Lösung näherzubringen, und aller besonderen Züge zum Trotz sieht er in Speer dabei zugleich einen Repräsentanten verbreiteter Stimmungen und Anfälligkeiten. Die Einsichten, die sein Lebensgang vermittelt, tragen daher auch zur Antwort auf die bis heute ungeklärte Frage nach dem Bruch bei, der sich 1933 unter den Deutschen ereignete und das Land weit weg von seinen Normen und Traditionen in Barbarei und Verbrechen führte.